Annett Leisau

Kinder sprechen von Geburt an mit ihrem ganzen Körper. Wenn sie schreien, machen sie sich häufig ganz steif oder wälzen sie sich hin und her. Wenn sie die Mama sehen, lächeln sie über das ganze Gesicht, strecken sie ihre Ärmchen aus und zeigen deutlich, dass sie auf den Arm genommen werden wollen.

Kinder sprechen von Geburt an mit ihrem ganzen Körper. Gesten sind also etwas ganz Natürliches.
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Gesten sind was ganz Normales

Innerhalb der normalen Sprachentwicklung geht der Gebrauch von Gesten dem Gebrauch der gesprochenen Sprache voraus und spielt bei allen Kindern eine wichtige Rolle für die Kommunikation. Schon kleine Kinder zeigen auf Dinge, die sie gereicht bekommen möchten, heben die Arme, um hochgenommen zu werden oder schütteln mit dem Kopf und stampfen auf, wenn sie anderer Meinung sind. Die typischen Aufforderungen an das Kind, doch mal zu zeigen, wie gut zum Beispiel das Essen geschmeckt hat, wie groß das Kind ist oder der Mama „winke-winke“ zu machen, fördern die Fähigkeit, sich mit Gesten mitzuteilen. Die Benutzung von Gesten ist demnach eine normale entwicklungstypische Kommunikationsform – verbale Sprache und Gestik sind in sehr vielen Situationen untrennbar (häufig unbewusst) miteinander verbunden.

Aufbauend auf der natürlichen Gestik der Kinder fördert der bewusste Einsatz von konkreten Gesten und Gebärden die Ausdrucksfähigkeit des Kindes. Wenn ein Kind ermuntert wird, bestimmte Gesten und Gebärden als Repräsentationen für Gegenstände oder Ereignisse zu verwenden, dann hilft ihm dies beim Lernen und Strukturieren seiner Welt. Der Gebrauch erster Gesten (z. B. die Zeige-Geste) signalisiert den Beginn der bedeutungstragenden Kommunikation – das Kind ist nun in der Lage, eigene Wünsche und Bedürfnisse mitteilen. Dieser Schritt ist ein sehr wesentlicher in der gesamten kognitiven Entwicklung des Kindes.

Mit Hilfe von Gesten und Gebärden haben sie die Chance, auch solche Dinge auszudrücken, deren Worte sie noch nicht (auf deutsch) kennen oder die für sie zur Zeit noch zu schwer auszusprechen sind. Kinder ab einem Alter von ca. 9 Monaten sind in der Lage, einfache Wörter zu verstehen und durch Gesten oder Gebärden darzustellen. Mit dem Erwerb der Symbolfunktion begreifen sie, dass Gesten für einzelne „Dinge“ (Nomen, Verben oder auch Adjektive) stehen. Adäquat zur verbalen Sprache erkennen sie außerdem, dass sie sich mit Hilfe von Handzeichen ausdrücken und ihre Gedanken mitteilen können.

Koordination der Hände ist leichter

Da die Koordination von Händen für kleine Kinder wesentlich einfacher ist, als die kompetente Nutzung der Artikulations- und Sprechwerkzeuge, erlangen sie beim Einsatz von Gesten deutlich schnellere Fortschritte als beim Nutzen der verbalen Sprache. Wenn Kinder ein neues Wort direkt in Verbindung mit einem bestimmten Handzeichen lernen, fällt es ihnen häufig leichter, sich die Wortbedeutung zu erschließen, zu merken und sich im Bedarfsfall daran zu erinnern.

Gesten bieten frühere Interaktionsmöglichkeiten

Ein weiterer Vorteil der Nutzung vieler Gesten und Gebärden liegt in der früheren bewussten Interaktionsmöglichkeit. Mit ihrer Hilfe sind bereits kleine Kinder in der Lage, Unterhaltungen zu beginnen über Dinge, die sie gerade interessieren. Und die Bezugspersonen haben die Möglichkeit, darauf einzugehen und die wichtigsten Handzeichen in Verbindung mit dem entsprechenden Wort immer wieder zu wiederholen. So können selbst kleine Kinder viele positive präverbale Erfahrungen (Verstehen, Verstanden werden, etwas bewirken) machen. Dies wirkt sich förderlich auf die Sprechmotivation aus.

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